Familienaufstellen und 5BN
Gastbeitrag by Lars-Ulrich Schlotthaus - Heilpraktiker und Aufstellungstherapeut aus Berlin
Familienaufstellungen und 5BN
Da es auf dieser Seite um Spürsinn geht und das Thema Therapie und Praxis in der 'Neuen Medizin' möchte ich aus meiner therapeutischen Praxis berichten, die sehr viel mit spüren zu tun hat. Die von Bert Hellinger entwickelte Methode des Familienstellens hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer festen Größe in der therapeutisch/emotionalen Heilarbeit bei sogenannten psychischen Störungen und Problemen entwickelt. Dass sogenannte Krankheiten mit ihren körperlichen Symptomen untrennbar mit der Psyche verbunden sind, zeigte sich seit dem in der Praxis der Aufstellungsarbeit immer wieder. Eine Trennung von Körper und Psyche (oder Seele), wie sie die Schulmedizin vornimmt, existiert nicht.
Für alle, die nicht wissen, wie Familienaufstellungen in der Praxis aussehen, folgen am Ende des Artikels eine kurze Beschreibung der Vorgehensweise und Literaturhinweise. *
Worum geht es also?
Ebenso, wie in der Neuen Medizin werden bei Familienaufstellungen in der Regel Traumata und deren Auswirkungen behandelt. Den Begriff Trauma setze ich hier gleich mit einem DHS oder einem Konflikterlebnisschock. Die Folgen eines Konfliktes spürt der Betroffene ganz aktuell in seinem Leben, kann aber oft genug, kein signifikantes Erlebnis benennen, welches man als so schockierend einschätzen würde, dass es ihn in solch gravierender Weise beeinträchtigen würde, wie der Klient es empfindet.
Die Aufstellungspraxis zeigt immer wieder, dass Erlebnisse aus der Herkunftsfamilie des Klienten Einfluss auf die Gegenwart haben. Gemeint sind damit Konfliktschocks der Eltern, Großeltern oder sogar Ereignisse wie beispielsweise Hexenverbrennungen, die Jahrhunderte und zig Generationen zurückliegen, falls eine Ahne im Mittelalter als Hexe verbrannt wurde.
In der NM wird das DHS zeitlich mehr oder weniger untrennbar mit dem gelebten Leben, allenfalls noch mit der vorgeburtliche Zeit des Babys im Mutterleib verknüpft. Etwas vereinfachend formuliert, erlischt mit der biologischen Existenz des Individuums, dessen Bedeutung. Also ein inzwischen erwachsenes Kind kann beispielsweise nicht mehr unter Neurodermitis leiden, die ursächlich etwas mit der fatalen Trennungsgeschichte der verstorbenen Mutter mit einem Liebhaber zu tun gehabt hat. In der Neuen Medizin wird unterstellt, dass der Betroffene selbst einen Konfliktschock erlitten haben muss, bevor ein Sinnvolles Biologische Sonderprogramm (SBS) gestartet wird, wobei sich diese Haltung inzwischen langsam zu ändern scheint. Das ist zwar häufig genug der Fall, aber längst nicht immer. Und da ist dann guter Rat teuer. Wie soll man alleine durch Gewebebestimmung, Bestimmung der Phase des Sonderprogramms oder ein CT auf den Konfliktinhalt, geschweige denn zu einer Lösung kommen?
Mit Familienaufstellungen ist das möglich. Mit Hilfe der Aufstellungsarbeit lässt sich eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart bauen. Sehr wohl sind nämlich aktuelle Erlebnisse und die damit verbundenen Gefühle für die therapeutische Arbeit mit dem Klienten auch beim Familienaufstellen wichtig. Ich nenne es mal generationsübergreifendes Rezidiv. Das Gefühl, dass die Mutter hatte, als sie von ihrem Geliebten, mit dem sie vor dem Vater leidenschaftlich verbunden war, von einem Tag auf den anderen verlassen wurde, lebt weiter. Die kollektive emotionale Erinnerung an dieses Gefühl, an diesen Schmerz ist noch da und taucht in vergleichbaren Situationen im aktuellen Leben der Klientin wieder auf. Etwa bei einer selbst erlebten unglücklichen Liebe. Es tritt auch wieder in den Hintergrund und wird von seiner Intensität her mal schwächer und mal stärker. Neurodermitis eben.
Ich selbst habe bei meinen allerersten eigenen Erfahrungen mit dem Familienstellen, einen Konfliktschock meines Vater während der Bombennächte im Zweiten Weltkrieg nacherlebt und in Lösung gehen sehen. Wenige Tage nach diesem sehr intensiven Seminar bekam ich einen – so nannte ich das damals noch – grippalen Infekt, der einfach nicht verschwinden wollte und immer heftiger wurde. Im Krankenhaus wurde dann eine schwere Lungenentzündung diagnostiziert. Aus heutiger Sicht, wie ich weiß, die PCL-Phase des zugrundeliegenden Schreckangstkonflikts.
Aber zurück zu dem Beispiel der Neurodermitis-Klientin. Im aktuellen Leben der Frau, konnten wir Ereignisse finden, die mit Trennungen, unglücklicher Liebe, Beziehungsangst zu tun hatten. Die könnten dann etwas abgemildert werden. (Es gibt ja so viele Männer auf dieser Welt. Du bekommst schon noch Deine Chance. Auf jeden Topf passt ein Deckel.) Am ursprünglichen Konflikt wären diese Worte aber vorbei gegangen. Worte gehen oft vorbei. Es geht um das individuelle Erleben, das mehr in Bildern, anderen Sinneseindrücken und eben Emotionen stattfindet. Nur auf der Erlebnisebene, kann es in zu einer Lösung kommen. Warum, stellt sich nämlich die Frage, bekommen denn nicht alle Frauen, die schmerzhafte Trennungen erleben, Neurodermitis? Es geht um den Urkonflikt: das Trennungserlebnis der Mutter.
In der Aufstellung zeigte sich dann, dass die Klientin das Gefühl hatte, der Mutter den Schmerz abnehmen zu müssen. Also selbst die Folgen des Konfliktes tragen zu müssen. Verbunden war das mit dem Glaubenssatz: Liebe bringt nur Schmerz. Wie sollte die Frau unter diesen Bedingungen eine glückliche Partnerschaft eingehen? Jeder Mann als potentieller Partner war mit dem Gefühl, dass er Schmerzen verursacht, überfordert. Kein Wunder.
Lösung am Verstand vorbei
Um die sich immer wieder selbst erfüllende Prophezeiung: Bindung bedeutet Schmerz, loszuwerden, war es für die Klientin wichtig, diesen Schmerz symbolisch dorthin zurückzugeben, wo er hingehörte: Wir haben dafür ein Kissen genommen, das die Klientin wieder an ihre Mutter gab, die es dankbar annahm, da sie natürlich nicht wollte, dass die Tochter unter ihrem ganz persönlichen Trennungsschmerz leidet. Dieses Bild: die Mutter mit dem Kissen in den Armen, einen liebevollen Blick auf die Tochter gerichtet, war das Lösungsbild. Der Konflikt, der als Indikator in der Szene bei der Tochter stand, war jetzt überflüssig geworden und hatte keine Bedeutung mehr.
Es kam in den folgenden Wochen noch einmal zu einem Aufblühen der Hautstellen, bis die Symptome dann nach ein paar Monaten endgültig verschwanden.
Familienaufstellungen arbeiten am Verstand vorbei. Alleine über den Verstand und die Kenntnis der unterschiedlichen Konfliktinhalte mit ihren Symptomen ist keine Heilung möglich. Es muss eine Ebene gefunden werden, die direkt unsere Emotionen und unsere Sinne anspricht. Wir verlassen damit auch die materialistische Weltsicht und begeben uns in den energetischen Kosmos der Felder, die uns – in der Familie (Rudel) am stärksten – wie ein "unsichtbares Gummiband", so formulierte es der Biologe und Autor, Dr. Rupert Sheldrake, aneinander binden.
Familienaufstellungen – wie funktioniert das?
Als Klient formulieren Sie ein Anliegen, ein Thema, das Sie dem Therapeuten alleine oder in der Gruppe schildern. Im Gespräch arbeiten wir dann zusammen heraus, welche Familienmitglieder ursächlich mit Ihrem Anliegen in Verbindung gebracht werden können. Falls wir in der Gruppe arbeiten, suchen Sie nun Stellvertreter für sich und die betroffenen Familienmitglieder aus und bitten sie für die jeweilige Person zu stehen. Es spielt keine Rolle, ob dieser Mensch noch lebt oder schon gestorben ist. In einer achtsamen Haltung führen Sie jetzt Ihren Stellvertreter und nacheinander alle beteiligten Personen in den Raum, stellen sie zueinander in Beziehung. Nach einer kurzen Zeit des Einfühlens beginne ich, die Stellvertreter nach ihren Gefühlen für sich und zueinander zu befragen. Jetzt passiert das, was für manche unglaublich klingen mag und Hellinger-Kritiker schon gar nicht wahrhaben wollen: Die Stellvertreter empfinden tatsächlich so, wie die Familienmitglieder, die sie vertreten, obwohl sie demjenigen, den sie vertreten, in der Regel nie begegnet sind. Ganz häufig entspricht sogar der Sprachduktus, die Haltung, ja sogar die Wortwahl in einzelnen Formulierungen der vertretenen Person. Wir können also bei Familienaufstellungen beobachten, dass es eine emotionale Verbindung und Erinnerung zwischen uns Menschen gibt, die sich einer rein materialistischen Weltsicht entzieht. Die spirituellen Aspekte dieser Arbeit spielen auch für den Begründer des Familienstellens, Bert Hellinger, in den letzten Jahren eine immer größer Rolle.
Spirituelle Verbindung
Durch Veränderung der Positionen, verändert sich auch die Beziehung der Stellvertreter zueinander. Manchmal muss ein Familienmitglied dem anderen etwas sagen. Im Fokus ist dabei immer das Anliegen des Klienten. Im Idealfall sieht der Klient zum Schluss der Aufstellung ein heilendes Bild, in dem die Familienmitglieder in der richtigen Ordnung in Liebe einander zugewandt stehen. An dieser Stelle ist es oftmals sinnvoll, wenn der Klient seinen Stellvertreter in der Rolle ablöst und selber in das Bild geht. Häufig gibt es zunächst nur einen heilenden Impuls, dem der Klient nachgehen kann, indem er sich das Lösungsbild im Alltag als Stütze immer wieder ins Gedächtnis ruft.
Sinnvoll und sehr nützlich als Vorbereitung für das Familienstellen ist die Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte. Hat es früh verstorbene Mitglieder gegeben, Selbstmorde, waren Verwandte im Krieg oder haben sie Verbrechen begangen, gab es frühere Partner bei Eltern oder Großeltern? Wie sieht die Gegenwartsfamilie aus? Gab es auch dort frühere Partner, Kinder aus einer anderen Beziehung, Abtreibungen? Im Idealfall erstellen Sie einen kleinen Stammbaum, ein sogenanntes Genogramm, bis zur Generation der Großeltern und notieren sich wichtige Ereignisse zu den einzelnen Personen.
Mit Worten lassen sich die Erlebnisse und oft sehr heftig zutage tretenden Emotionen während einer Aufstellung nur unzulänglich beschreiben. Die Erfahrung kann nur erlebt werden. Für Menschen, die ein Dauerthema mit sich herumschleppen, ohne jemals an die Ursache herangekommen zu sein, sind Familienaufstellungen ein absolut geeignetes Mittel, um zu einer Lösung zu kommen.
Lars-Ulrich Schlotthaus
Heilpraktiker und Aufstellungstherapeut
Literaturhinweise
Wie Liebe gelingt: Die Paartherapie Bert Hellingers von Johannes Neuhauser, ISBN: 3896701053.
Das Buch ist auch für Menschen empfehlenswert, die noch nie an einer Familienaufstellung teilgenommen haben.
Ordnungen der Liebe: Ein Kurs-Buch von Bert Hellinger, ISBN: 3896700006
Bert Hellingers Standardwerk. Die Liebe und insbesondere die Liebe in Familiensystemen unterliegt einer bestimmten Ordnung. Ist die Ordnung gestört, fließt keine Liebe mehr und der Mensch leidet und wird krank. Mit dem Familienstellen läßt sich diese Ordnung wieder herstellen.
Was die Seele krank macht und was sie heilt – Wenn der Körper Signale gibt: Die psychotherapeutische Arbeit Bert Hellingers von Thomas Schäfer, ISBN: 3828952747
Eines der besten Einstiegsbücher, für Menschen, die gerne erst etwas über die Arbeit Bert Hellingers lesen möchten, bevor sie in die Praxis einsteigen. Wohlwollend kritisch wird Hellingers Ansatz mit anderen psychotherapeutischen Methoden und deren Betrachtungsweisen verglichen.
Der Abschied – Nachkommen von Tätern und Opfern stellen ihre Familie von Bert Hellinger, ISBN: 3896701029
Fallbeispiele von Tätern und Opfern hauptsächlich aus dem Zweiten Weltkrieg. Thema Versöhnung.